ADHS und Elternschaft

17.07.2024

Elternschaft bringt viele Herausforderungen mit sich, und wenn sowohl Elternteile als auch Kinder von ADHS betroffen sind, wird der Alltag noch komplexer. Dieser Artikel bietet einen Überblick über mögliche Herausforderungen.

Elternschaft als solches ist ein anstrengendes Unterfangen. Schlaflose Nächte, Mental Load, ständig neue Herausforderungen, gesellschaftliche Erwartungen, Geschlechterrollen, Erziehungstipps von allen Seiten und was es sonst noch so gibt.
Wenn dann noch eine psychische Erkrankung oder Neurodivergenz ins Spiel kommt, können sich noch ganz andere Schwierigkeiten ergeben.

Die Diagnose als Erleichterung

Viele Elternteile erkennen erst durch die ADHS-Diagnose ihres Kindes, dass sie selbst betroffen sein könnten.
Eine solche Erkenntnis kann viel verändern und helfen, den Alltag besser zu strukturieren. Allerdings wird dadurch oft auch eine neue Herausforderung ausgelöst, da Betroffene sich ganz neu mit der Identitätsforschung auseinandersetzen müssen und oft viele Erlebnisse des bisherigen Lebens hinterfragt werden.
Ein frühzeitiges Screening für Elternteile kann hier entscheidend sein und wird von Expert:innen empfohlen, ist aber oft schwierig zu realisieren, da nicht nur der Zugang zur Diagnostik schwer sein kann, sondern der hektische Alltag und gesellschaftliche Strukturen die Annahme von psychischen Störungen erschweren können.

Die Diagnose gibt Eltern die Möglichkeit, ihre eigenen Herausforderungen besser zu verstehen und gezielte Strategien zu entwickeln, um den Familienalltag zu erleichtern.
Es kann auch helfen, die Schuldgefühle zu reduzieren, die viele Eltern empfinden, wenn sie die Schwierigkeiten ihrer Kinder nicht sofort lösen können.

Herausforderungen im Alltag

Symptome verstärken sich gegenseitig:

Die Symptome von ADHS können sich in der Eltern-Kind-Beziehung gegenseitig verstärken.
Beispielsweise kann ein unruhiges Kind eine Elternperson schneller überfordern, was wiederum zu impulsiven Reaktionen führen kann.
Diese Dynamik kann zu einem intensiven Familienleben führen, in dem Konflikte häufiger auftreten und schwerer zu bewältigen sind.
Es ist wichtig, sich dieser Wechselwirkungen bewusst zu sein und Strategien zu entwickeln, um sie zu minimieren.
Dies kann durch therapeutische Unterstützung und Schulungen zur Eltern-Kind-Interaktion geschehen.

Emotionale Regulation:

Elternteile mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, ihre eigenen Emotionen zu regulieren.
Stressige Situationen, wie ein Wutanfall des Kindes, können schnell eskalieren, wenn die Elternperson ebenfalls impulsiv reagiert.
Diese emotionale Dysregulation kann zu einem Teufelskreis führen, der die gesamte Familienatmosphäre belastet.
Achtsamkeitstechniken und Atemübungen können helfen, in solchen Momenten Ruhe zu bewahren und die Situation zu deeskalieren.
Zudem kann der Austausch mit anderen betroffenen Elternteilen oder der Besuch einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein.

Inkonsequenz, Struktur und Organisation:

ADHS-betroffene Elternteile haben häufig mit Inkonsequenz und mangelnder Organisation in der Erziehung zu kämpfen.
Die Schwierigkeiten mit Selbstregulation, Impulsivität und kurzfristigem Denken kann die Fähigkeit, konsistente Erziehungsstrategien zu verfolgen und eine strukturierte Umgebung aufrechtzuerhalten schwieriger machen.

Eine stabile und vorhersehbare Erziehungsumgebung kann jedoch wichtig für die positive Entwicklung der Kinder sein.
Um dies zu erreichen, kann es für betroffene Eltern hilfreich sein gemeinsam mit einer:m Therapeut:in oder einem:r Coach:in an der Entwicklung und Einhaltung konsistenter Erziehungsstrategien zu arbeiten.
Ein klarer und fester Rahmen kann den Kindern Sicherheit geben und die Entwicklung positiv unterstützen.

Nicht nur für die Kinder kann eine äußerliche und individuell entwickelte Struktur, sowie Routinen sehr hilfreich sein.
Trotz der Herausforderungen, die das Leben mit ADHS mit sich bringt, können einfache Hilfsmittel wie To-Do-Listen, Wochenpläne und Erinnerungshilfen helfen den Alltag besser zu organisieren.
Das Einbeziehen der Kinder in die Planung kann ihnen zudem helfen, Verantwortung zu übernehmen und Struktur zu erleben.

Selbstwahrnehmung und Selbstkritik:

Viele Elternteile mit ADHS haben hohe Ansprüche an sich selbst und fühlen sich schnell überfordert und frustriert, wenn sie das Gefühl haben, den Anforderungen nicht gerecht zu werden.
Diese Selbstkritik kann zu einem niedrigen Selbstwertgefühl und zu einem erhöhten Risiko für Depressionen und Burnout führen.
Es ist wichtig, realistische Erwartungen an sich selbst zu haben und sich regelmäßig Zeit für Selbstfürsorge zu nehmen.
Professionelle Unterstützung durch Therapie oder Coaching kann ebenfalls helfen, das Selbstwertgefühl zu stärken und Wege zu finden, um den Alltag besser zu bewältigen.

Partner:innenschaftliche Herausforderungen:

Die Belastungen des Alltags mit ADHS können auch die Partner:innenschaft stark belasten.
Stimmungsschwankungen, Impulsivität und emotionale Überreaktionen sorgen für viel Konfliktpotenzial.
Ohne klare Kommunikation und Absprachen können diese Herausforderungen zu Spannungen und Konflikten in der Beziehung führen.
Regelmäßige Paargespräche, eventuell unterstützt durch eine Paartherapie, können helfen, die Kommunikation zu verbessern und gemeinsame Strategien zu entwickeln, um den Herausforderungen des Alltags besser begegnen zu können.

Fazit

Elternschaft, ob mit oder ohne ADHS ist ein anstrengender Vollzeitjob. Gerade aber für Betroffene von ADHS kann es eine besondere Herausforderung darstellen die eigenen Bedürfnisse und Herausforderungen hinten an zu stellen und auf die ständig wechselnden Erwartungen der Kinder einzugehen.
Sicher ist aber auch, dass es mit den richtigen Strategien und Unterstützung einfacher werden kann und nicht immer so anstrengend sein muss wie es sich manchmal anfühlt.
Im nächsten Artikel werde ich ausführlich auf Strategien und Ideen zur Unterstützung eingehen.