Selbstständigkeit mit ADHS: Wie Lisa den Traum von Freiheit und Eigenverantwortung meistert

30.10.2024

Immer mehr Menschen entscheiden sich für die Selbstständigkeit – auch viele von uns mit ADHS. Die Vorstellung, sich seine Zeit und Projekte frei einzuteilen, klingt verlockend, und für viele Neurodivergente kann diese Art zu arbeiten ideal sein, da sie uns erlaubt, genau den Dingen nachzugehen, die uns wirklich begeistern. Doch wie sieht die Realität aus? Welche Herausforderungen und Tricks gibt es, um die Selbstständigkeit erfolgreich zu gestalten, wenn man ADHS hat? Basierend auf dem Podcast-Interview mit Lisa, einer erfolgreichen DIY-Kreativen, zeigt dieser Artikel die Hürden und Möglichkeiten in diesem besonderen Arbeitsbereich.

Ein Weg zur beruflichen Freiheit

Selbstständigkeit bedeutet für viele von uns mit ADHS vor allem Freiheit: Die Freiheit, selbstbestimmt zu arbeiten, eigene Ideen zu verwirklichen und den Tag so zu gestalten, dass er zu unseren Bedürfnissen passt. Lisa berichtete im Podcast darüber, wie ihr die starren Strukturen einer PR-Agentur nicht lagen und wie sie, auch ohne konkrete ADHS-Diagnose, damals schon das Gefühl hatte, mehr leisten zu können, wenn sie selbst entscheiden darf, was und wie sie es tut. Diese intrinsische Motivation, also der innere Antrieb, ist für viele Menschen mit ADHS essenziell.

Studien bestätigen, dass ADHS-Betroffene in selbstbestimmten Situationen oft besser abschneiden, da sie eher ihre eigenen Stärken einsetzen können. Der Psychologe Dr. Russell Barkley zeigt in seinen Forschungen, dass unsere exekutiven Funktionen (wie Planen, Organisieren und Impulskontrolle) besser arbeiten, wenn wir ein tiefes Interesse an der Aufgabe haben und uns die Arbeitsweise selbst wählen können.

Herausforderungen meistern – die Kunst, Strukturen zu schaffen

Lisa beschreibt eine große Herausforderung in der Selbstständigkeit: Sie muss sich ihre Strukturen selbst schaffen. Sie sagt, sie sei immer die „chaotische Kreative“ gewesen, jemand, der in einem gut organisierten Umfeld oft Schwierigkeiten hatte, mit einem System klarzukommen. Aber in der Selbstständigkeit müsse sie sich das nötige System selbst bauen – „und das ist nicht immer einfach“.

Hier helfen Strategien wie Time-Blocking: Lisa blockt sich bewusst Zeitfenster für spezifische Aufgaben und bindet auch Pufferzeiten mit ein, weil sie weiß, dass oft noch „unerwartete Dinge“ dazu kommen. Eine Studie der Universität Amsterdam zeigt, dass Menschen mit ADHS durch Time-Blocking besser abschätzen, wie lange eine Aufgabe dauert, und weniger in die typische Zeit- und Aufgabenüberforderung geraten. Für Lisa sei es besonders wichtig, Pausen und Puffertage einzuplanen, die ihr helfen, ihre Energie über den Tag verteilt einzuteilen und gleichzeitig produktiv zu bleiben.

Ein guter Tipp: Hilfe annehmen und Dinge outsourcen

Lisa spricht sehr offen darüber, wie sie ihre Schwächen anerkannt und sie strategisch abgegeben hat. So erzählt sie zum Beispiel, dass sie ihre Buchhaltung nicht selbst macht, sondern an eine virtuelle Assistentin delegiert. „Ich war so erleichtert, als sie sich darum gekümmert hat“, gibt Lisa zu, denn gerade administrative Aufgaben können sich für Menschen mit ADHS überwältigend anfühlen. Tatsächlich zeigen Studien zur ADHS und Berufserfolg, dass das Delegieren von administrativen Aufgaben – sei es an einen Steuerberater, eine Assistentin oder in ein einfaches Buchhaltungstool – für Neurodivergente ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein kann.

Der Vorteil liegt darin, dass wir unsere Ressourcen für die Dinge einsetzen können, die uns Energie geben, statt für Aufgaben, die uns blockieren. Für viele Menschen mit ADHS kann dies den entscheidenden Unterschied machen und die Selbstständigkeit langfristig angenehmer gestalten.

Prokrastination überwinden und in kleinen Schritten arbeiten

Ein weiteres großes Thema für Lisa war die Prokrastination: „Wenn eine Aufgabe zu groß und unübersichtlich wird, neige ich dazu, sie vor mir herzuschieben.“ Sie bricht daher ihre Aufgaben in kleine, überschaubare Schritte herunter, was eine bewährte Methode ist, um Prokrastination zu bekämpfen. Studien zeigen, dass durch das Unterteilen von Aufgaben in kleine Schritte das Gefühl der Überforderung verringert wird und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass wir anfangen. So rät auch die ADHS-Coachin Linda Walker: „Der Schlüssel ist, die Aufgaben in winzige Schritte zu zerlegen, sodass man sie nicht nur anfängt, sondern auch ein kleines Erfolgserlebnis hat, das motiviert weiterzumachen.“

Zusätzlich nutzt Lisa den Tipp, die Arbeit mit anderen zu teilen: Im digitalen Coworking, etwa per Zoom, setzt sie sich mit einer Art „Buddy-System“ zusammen, wo jede*r eine Aufgabe angibt, die er oder sie in einer bestimmten Zeit erledigen will. Diese Methode, auch „Body Doubling“ genannt, sorgt dafür, dass man weniger in die eigene Gedankenwelt abdriftet, sich gegenseitig motiviert und am Ball bleibt.

Pausen als Produktivitätsbooster

Pausen sind für Lisa ein essenzieller Bestandteil ihrer Strategie, um sich auf ihre Arbeit konzentrieren zu können. „Pausen sind für mich fast wie ein Werkzeug, das ich brauche, um produktiv zu bleiben“, erklärt sie. Sie betont, wie wichtig Bewegung und bewusste Pausen für ihren Alltag sind, und verweist auf die Rolle von Sportarten wie Yoga und Karate. Diese Bewegungspausen helfen nicht nur, die körperliche und mentale Energie zu regulieren, sondern geben auch die nötige Erholung, um danach fokussierter und leistungsfähiger an die Arbeit zurückzukehren.

Wissenschaftlich fundierte Studien bestätigen, dass Bewegung den Dopaminspiegel erhöht, was gerade für Menschen mit ADHS eine besonders wirksame Methode ist, um geistige Erschöpfung zu überwinden und neue Energie zu gewinnen.

Imperfektion zulassen und den Druck reduzieren

Ein weiterer Aha-Moment für Lisa war, den Perfektionismus loszulassen und in ihrem Content weniger perfekt, dafür authentischer zu sein. Früher habe sie jedes DIY-Projekt in Perfektion geplant und gezeigt, inzwischen zeigt sie bewusst auch die unperfekten Seiten ihrer Kreativarbeiten, zum Beispiel bei Instagram. Dieser Ansatz macht den Prozess zugänglicher und senkt ihren eigenen Druck.

Lisa erzählt, wie befreiend es ist, sich nicht mehr immer an das „perfekte Endergebnis“ zu klammern, sondern zwischendurch ihre kreative Energie einfach fließen zu lassen. Dieses „unperfekte Loslassen“ unterstützt auch ihre innere Motivation und Zufriedenheit.

Eine Studie von Dr. Sharon Saline, einer ADHS-Expertin, legt nahe, dass es für ADHS-Betroffene wichtig ist, den eigenen Maßstab an Perfektion zu hinterfragen. Die Angst vor Fehlern und die ständige Selbstkritik könnten unsere Leistung eher behindern als fördern. Wer hingegen lernt, Imperfektion zuzulassen, wird oft zufriedener und produktiver.

Fazit: Selbstständigkeit als Abenteuer für Menschen mit ADHS

Lisas Fazit: „Ich würde die Selbstständigkeit immer wieder wählen – trotz der Hürden.“ Für viele Menschen mit ADHS kann die Selbstständigkeit nicht nur ein beruflicher Weg, sondern eine Art Lebensstil sein, der ihnen erlaubt, ihr Potenzial und ihre Kreativität voll auszuleben. Mit der richtigen Mischung aus innerer Struktur, selbstgewählten Projekten und einem gesunden Umgang mit den eigenen Schwächen kann Selbstständigkeit eine kraftvolle, erfüllende Form des Arbeitens sein.

Lisas Alltag zeigt: Selbstständigkeit mit ADHS ist ein Balanceakt, der Mut und Eigenverantwortung fordert, aber auch immense Freiheit und Erfüllung bietet.