ADHS und PTBS

01.05.2024

In diesem Artikel erkunden wir die Grundlagen von ADHS und PTBS. Beide Störungen sind komplex und oft missverstanden, beeinflussen jedoch zahlreiche Menschen weltweit. Erfahren Sie mehr über ihre einzigartigen Merkmale und die Notwendigkeit einer präzisen Diagnose.

Die Basics

Wenn wir über ADHS sprechen, denken viele sofort an das stereotype Bild eines hyperaktiven Kindes, das nicht stillsitzen kann. Aber ADHS ist so viel mehr als das. Es ist eine komplexe neurologische Störung, die die Selbstregulierung und Aufmerksamkeitskontrolle beeinträchtigt. Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren, sind häufiger impulsiv und manchmal übermäßig aktiv.

Die Hauptsymptome von ADHS lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität/Impulsivität. Stell dir ADHS wie ein Radio vor, das ständig zwischen den Stationen hin- und herspringt, ohne dass du die Kontrolle über den Tuner hast. Für jemanden mit ADHS kann es eine Herausforderung sein, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, besonders wenn sie nicht sofort belohnend oder interessant erscheint. Dies kann zu Problemen in der Schule, am Arbeitsplatz und in zwischenmenschlichen Beziehungen führen.

Hyperaktivität zeigt sich durch ständiges Zappeln, einen unstillbaren Bewegungsdrang und oft ein Gefühl der inneren Unruhe. Impulsivität bedeutet, Handlungen ohne vorheriges Nachdenken auszuführen, was zu Problemen in sozialen und beruflichen Situationen führen kann.
Aber ADHS hat auch seine positiven Seiten. Viele Menschen mit ADHS sind außerordentlich kreativ, intuitiv und können unter Druck gut performen. Sie sind oft leidenschaftliche, tiefgründige Denker:innen und haben die Fähigkeit, außerhalb der Box zu denken.

Interessanterweise zeigen neuere Forschungen, dass ADHS nicht nur ein Problem der Kindheit ist. Viele Erwachsene leiden ebenfalls unter ADHS, oft ohne es zu wissen. Bei Erwachsenen äußert sich ADHS oft etwas anders als bei Kindern. Sie können Schwierigkeiten haben, Termine einzuhalten, Aufgaben zu organisieren, und sie neigen dazu, Dinge aufzuschieben.

Auf der anderen Seite steht die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Sie entsteht, wenn das Gehirn nach einem traumatischen Erlebnis nicht mehr in den Normalzustand zurückkehren kann. Es ist, als ob der „Gefahrenmodus“ dauerhaft aktiviert bleibt. Dies kann bei Menschen auftreten, die Krieg, Gewalt, Missbrauch oder andere tiefgreifende Ereignisse erlebt haben. PTBS ist jedoch nicht auf diese extremen Szenarien beschränkt; es kann auch nach scheinbar weniger schwerwiegenden, aber emotional belastenden Erlebnissen auftreten.

Die Hauptsymptome der PTBS umfassen das Wiedererleben des Traumas durch Flashbacks oder Albträume, Vermeidungsverhalten, um Erinnerungen oder Gedanken an das Trauma zu umgehen, und erhöhte Reizbarkeit oder Wachsamkeit. Personen mit PTBS können auch emotionale Taubheit erleben, bei der sie sich von ihren Gefühlen und den Menschen um sie herum distanzieren.
Es gibt eine starke Verbindung zwischen PTBS und körperlichen Symptomen. Schlafstörungen, chronische Schmerzen und andere gesundheitliche Probleme können bei Menschen mit PTBS häufiger auftreten. Dies macht es umso wichtiger, sowohl die psychischen als auch die physischen Aspekte der Erkrankung zu behandeln.

Achtung wichtiger Punkt! Sowohl ADHS als auch PTBS sind echte psychologische Störungen. Sie sind nicht einfach ein Zeichen von Schwäche oder ein Mangel an Willenskraft. Beide erfordern eine angemessene Behandlung und Unterstützung.
Jetzt haben wir also einen Überblick über ADHS und PTBS. Aber wie genau hängen diese beiden zusammen? Die Antwort ist komplizierter, als du vielleicht denkst. Es geht nicht nur darum, dass sie ähnliche Symptome haben, sondern auch um die Art und Weise, wie die eine Störung die andere beeinflussen kann.

Die Schnittmenge: Gemeinsame Symptome und die Schwierigkeit der Abgrenzung

Im Umgang mit ADHS und PTBS ist eines besonders kompliziert: die Überschneidung ihrer Symptome und die Herausforderung, sie voneinander abzugrenzen. Es ist wie ein komplexes Schachspiel, bei dem manchmal nicht klar ist, welche Figur zu wem gehört.

Gemeinsame Symptome: Schauen wir uns die Symptome an, die ADHS und PTBS teilen. Sowohl ADHS als auch PTBS können zu Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, und Schlafstörungen führen. Zum Beispiel könnte Laura, eine Studentin mit ADHS, Schwierigkeiten haben, sich in Vorlesungen zu konzentrieren und sich leicht ablenken lassen – ähnlich wie Max mit PTBS, der Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren, weil er ständig von Flashbacks heimgesucht wird. Beide kämpfen mit Aufmerksamkeitsdefiziten, aber die Ursachen sind völlig unterschiedlich.

Konflikte bei der Diagnose: Diese Symptomüberschneidung führt oft zu diagnostischen Herausforderungen. Ein:e Ärzt:in könnte beispielsweise Schlafprobleme und Unruhe als Teil von ADHS ansehen, ohne zu erkennen, dass sie tatsächlich auf ein unverarbeitetes Trauma zurückzuführen sind. Eine andere Patientin könnte wegen ihrer Hyperwachsamkeit und Angstzustände fälschlicherweise eine PTBS-Diagnose erhalten, obwohl diese Symptome durch ihr unerkanntes ADHS verursacht werden.

Die tiefere Verbindung: Es ist dabei wichtig, sich bewusst zu machen, dass ADHS und PTBS nicht nur oberflächlich ähnliche Symptome haben, sondern sich auch gegenseitig beeinflussen können. Personen mit ADHS könnten aufgrund ihrer Impulsivität in gefährliche Situationen geraten, die potenziell traumatisierend sind. Andererseits kann jemand mit PTBS, der ständig auf der Hut und angespannt ist, Symptome entwickeln, die denen von ADHS ähneln.

Fallbeispiele: Betrachten wir zum Beispiel Jonas, der ADHS hat und oft, ohne nachzudenken handelt. Er gerät in einen Verkehrsunfall, der ein Trauma auslöst. Nun kämpft er nicht nur mit den Herausforderungen des ADHS, sondern auch mit den Nachwirkungen des Traumas. Auf der anderen Seite haben wir Emma, die nach einem Überfall PTBS entwickelt hat. Ihre anhaltende Wachsamkeit und Angst machen es ihr schwer, sich zu konzentrieren und ruhig zu bleiben – Symptome, die leicht mit ADHS verwechselt werden könnten.

Forschungsergebnisse: Studien bestätigen, dass die Symptomüberschneidung zu diagnostischen Fehlern führen kann. Eine Studie von 2020 in der Fachzeitschrift „Psychological Trauma“ hat gezeigt, dass bei bis zu 30% der Patient:innen mit ADHS fälschlicherweise PTBS diagnostiziert wurde und umgekehrt.
Insgesamt erfordert die Schnittmenge dieser beiden Störungen eine umsichtige und gründliche diagnostische Bewertung. Es ist unerlässlich, sowohl die Symptome als auch ihre tieferen Ursachen zu verstehen, um eine effektive und gezielte Behandlung sicherzustellen.

Rejection Sensitive Dysphoria (RSD) und ihre Rolle bei ADHS und Trauma

Rejection Sensitive Dysphoria (RSD) ist ein weniger bekanntes, aber wesentliches Element, das sowohl bei ADHS als auch im Kontext von Trauma eine Rolle spielt. Es handelt sich um eine extreme emotionale Empfindlichkeit gegenüber der Wahrnehmung von Zurückweisung oder Kritik, die bei Personen mit ADHS häufig vorkommt.

Zusammenhang mit Trauma: Der Zusammenhang zwischen RSD und Trauma entsteht durch die Art und Weise, wie diese Überempfindlichkeit die Lebenserfahrungen beeinflusst. Menschen mit RSD neigen dazu, Situationen oder Beziehungen zu meiden, in denen sie sich zurückgewiesen fühlen könnten, was zu sozialer Isolation und verstärkten Angstzuständen führen kann. Darüber hinaus können die intensiven emotionalen Reaktionen auf Zurückweisung traumatische Erlebnisse nach sich ziehen, vor allem wenn diese Erfahrungen in wichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen stattfinden.

Bedeutung für die Behandlung: Die Anerkennung von RSD ist entscheidend für die Behandlung von ADHS, insbesondere wenn es um das Verständnis und die Behandlung von begleitenden traumatischen Erlebnissen geht. Therapeutische Ansätze, die auf die spezifischen Herausforderungen von RSD zugeschnitten sind, können helfen, die Auswirkungen dieser Überempfindlichkeit zu mindern und so das Risiko für traumaähnliche Erfahrungen zu reduzieren.

Selbstfürsorgestrategien und Behandlung von ADHS und Trauma
Die Behandlung von ADHS und Trauma, besonders wenn sie zusammen auftreten, erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl medizinische als auch selbstfürsorgende Aspekte berücksichtigt. Es ist wichtig, Strategien zu entwickeln, die sowohl die neurologischen Herausforderungen von ADHS als auch die emotionalen Auswirkungen von Trauma adressieren.

Behandlung:

Zuerst einmal ist es wichtig, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden. Dies kann die Verschreibung von Medikamenten zur Kontrolle der ADHS-Symptome umfassen, sowie gegebenenfalls Therapieangebote zur Verarbeitung traumatischer Erlebnisse. Eine sorgfältige Abstimmung und Überwachung durch Fachleute ist dabei unerlässlich.

Psychotherapie: Sowohl ADHS als auch Trauma profitieren oft von psychotherapeutischen Behandlungen. Systemische Therapie, Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und traumaorientierte Therapieansätze wie EMDR können helfen, schädigende Denkmuster zu erkennen und zu ändern und Bewältigungsstrategien für den Umgang mit Stress und emotionalen Auslösern zu entwickeln.

Selbstfürsorgestrategien: Neben der medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung ist die Selbstfürsorge ein entscheidender Teil der Bewältigung von ADHS und Trauma.

Dazu gehören:

  • Strukturierte Tagesabläufe: Eine feste Struktur und Routine können Menschen mit ADHS helfen, sich organisierter und fokussierter zu fühlen. Dies kann von festen Schlafenszeiten bis hin zu geplanten Pausen während der Arbeit reichen. Wichtig ist hier aber, dass die Routinen genug Raum für Flexibilität lassen. Gerade Menschen mit ADHS profitieren sehr von Routinen, die auf die Tagesform angepasst werden können.
  • Achtsamkeitsübungen: Techniken wie Meditation, therapeutische Schreibübungen usw. können helfen, das Bewusstsein für den gegenwärtigen Moment zu schärfen und damit die Reaktionen auf stressige Situationen zu mildern.
  • Bewegung und Ernährung: Regelmäßige körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung sind nicht nur für die körperliche, sondern auch für die geistige Gesundheit wichtig. Sport kann besonders bei ADHS hilfreich sein, um überschüssige Energie abzubauen und den Fokus zu verbessern. Auch hier wieder der Hinweis darauf, gut zu schauen, was hilfreich ist und was eventuell zusätzlichen Druck auslöst.
  • Entspannungstechniken: Techniken wie tiefe Atemübungen, progressive Muskelentspannung oder Yoga können dazu beitragen, das allgemeine Stressniveau zu senken und die Entspannung zu fördern.
  • Soziale Unterstützung: Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung eines unterstützenden sozialen Netzwerks. Gespräche mit Freund:innen, Familie oder Selbsthilfegruppen bieten emotionale Unterstützung und können einen großen Unterschied im Umgang mit ADHS und Trauma machen.

Insgesamt erfordert die Behandlung und Selbstfürsorge bei ADHS und Trauma eine Kombination aus professioneller Unterstützung und persönlichen Bewältigungsstrategien. Ein individualisierter Ansatz, der die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen jeder Person berücksichtigt, ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.

Quellen:

https://www.adxs.org/de/page/91/5-trauma-als-ursache-von-adhs
Sugarman (2006): Attention deficit hyperactivity disorder and trauma1. The International Journal of Psychoanalysis, 87: 237–241.
Rucklidge, Brown, Crawford, Kaplan (2006): Retrospective Reports of Childhood Trauma in Adults With ADHD. Journal of Attention Disorders, 9(4), 631–641.