ADHS und Elternschaft - Strategien

14.08.2024

Im ersten Artikel habe ich die besonderen Herausforderungen beleuchtet, denen Eltern mit ADHS oft gegenüberstehen. Klar ist natürlich auch, dass es nicht nur negative Punkte der Elternschaft mit ADHS gibt, dennoch empfinde ich es als besonders wichtig auf die Schwierigkeiten gesondert einzugehen, da es nach wie vor wenig Unterstützung für Betroffene Eltern gibt und so oft das Gefühl der Isolation und Gedanken wie "Nur ich schaffe es nicht" entstehen können.

Strategien zum Umgang mit den Herausforderungen von Eltern mit ADHS

Im Folgenden sind deshalb einige bewährte Ansätze und offizielle Hilfsmechanismen aufgeführt.

1. Struktur und Routine schaffen

Eine klare Tagesstruktur und feste Regeln bieten Kindern Halt und Orientierung und helfen Eltern, sich zu organisieren.
Struktur und Routine sind besonders wichtig für Eltern mit ADHS, denn je mehr fest organisiert ist, desto weniger Kapazität muss für die, sowieso schon schwierige, Priorisierung aufgewendet werden.
Ein fester Wochenplan kann helfen, die Impulsivität zu und die Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Aufgaben zu lenken.
Strukturierte Abläufe minimieren die kognitive Belastung und verringern das Risiko, dass Dinge übersehen oder vergessen werden. Auch ADHS Deutschland e.V. (2023) betont die Bedeutung einer stabilen Struktur im Alltag, um Chaos und Überforderung zu vermeiden.
Wichtig hierbei ist meiner Meinung nach auch, dass die Routinen und Strukturen Raum zum Abweichen haben.
Wie viel Energie ist an welchem Tag da? Wurde eventuell verschlafen oder nicht eingekauft?
Wie können die Routinen trotz der immer wieder auftauchenden Herausforderungen dennoch aufrecht erhalten werden?N
Routinen brauchen also Raum für tägliche Veränderungen damit sie hilfreich sein können.

2. Selbstfürsorge priorisieren

Regelmäßige Pausen, Sport und kreative Tätigkeiten sind essenziell für das Wohlbefinden.
Eltern sollten bewusst Zeit für sich selbst einplanen, um ihre Batterien aufzuladen.
Für Menschen mit ADHS ist Selbstfürsorge besonders wichtig, da Stress und Überlastung die Symptome wie Unaufmerksamkeit und Impulsivität verschlimmern können.
Aktivitäten, die Entspannung fördern, helfen, das Nervensystem zu beruhigen und die emotionale Regulation zu verbessern.
Professionelle Unterstützung wie eine Haushaltshilfe oder therapeutische Begleitung kann ebenfalls dazu beitragen, den Alltag zu entlasten und Raum für Selbstfürsorge zu schaffen. Viele Unterstützungsangebte können auch über das Jugendamt oder die Krankenkassen beantragt werden.
Außerdem gibt es Angebote wie das "Elterntraining für Mütter und Väter mit ADHS" der LWL-Universitätsklinik Bochum, welche gezielte Unterstützung bieten.
Ein starkes soziales Netzwerk kann den Alltag außerdem erheblich erleichtern. Unterstützung durch Familie, Freunde oder professionelle Hilfe kann wertvolle Entlastung bringen, sei es im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung. Für Eltern mit ADHS ist soziale Unterstützung entscheidend, um Isolation zu vermeiden und praktische Hilfe zu erhalten. Ein starkes Netzwerk kann auch emotionale Unterstützung bieten und helfen, das Gefühl der Überforderung zu reduzieren..

3. Kommunikation und klare Absprachen

Offene Gespräche und klare Vereinbarungen innerhalb der Familie sind oft entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und ein harmonisches Miteinander zu fördern.
Regelmäßige Familientreffen, in denen über den Alltag gesprochen und Lösungen für auftretende Probleme gefunden werden, können sehr hilfreich sein. Klare Kommunikation hilft, die Tendenz zu impulsivem Verhalten zu reduzieren und Missverständnisse zu minimieren, was zu einem friedlicheren Familienleben führt. Kommunikationsworkshops für Familien können hier wertvolle Unterstützung bieten.

4. Emotionales Management

Eltern sollten lernen, ihre eigenen Emotionen zu erkennen und zu regulieren, um in stressigen Situationen ruhiger bleiben und ihre Kinder besser unterstützen zu können. Techniken der Emotionsregulation und das Erkennen von spezifischen Emotionen sind hierbei oft sehr wichtig. Kurse an beispielsweise der Volkshochschule oder mit Apps wie "Headspace" können dazu genutzt werden die eigene Stressresistenz zu erhöhen und emotional ausgeglichener zu bleiben.
Die dort erlernten Techniken können besonders hilfreich sein, um emotionale Dysregulation, die häufig bei ADHS vorkommt, zu bewältigen. Emotionales Management trägt dazu bei, reaktive und impulsive Verhaltensweisen zu reduzieren, wodurch ein stabileres und ruhigeres Familienumfeld geschaffen wird.

5. Elterncoaching und Therapie

Therapien und Coachings können sowohl für Eltern als auch für Kinder sehr hilfreich sein.
Elterncoaching kann dabei unterstützen, Erziehungsstrategien zu entwickeln und den Umgang mit ADHS besser zu verstehen.
Psycho- oder Ergotherapie kann Kindern und Eltern helfen, gemeinsam Strategien zu entwickeln, um besser mit den Symptomen umzugehen.
Solche Interventionen bieten spezifische Techniken zur Bewältigung von ADHS-bedingten Herausforderungen wie Unaufmerksamkeit und Impulsivität und fördern eine bessere Eltern-Kind-Interaktion.
Programme wie das "ADHS-Elterntraining" der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie bieten wertvolle Ressourcen.

6. Medikamente: Eine individuelle Entscheidung

Medikamente wie Medikinet oder Ritalin können den Alltag erheblich erleichtern, indem sie die Konzentration und Impulskontrolle verbessern.
Diese Entscheidung sollte jedoch sorgfältig und in Absprache mit Fachpersonen getroffen werden.
Eltern, die Medikamente in Erwägung ziehen, sollten sich umfassend über mögliche Vorteile und Nebenwirkungen informieren. Medikamente können helfen, die typischen ADHS-Symptome zu lindern und so die Fähigkeit der Eltern verbessern, ihren Alltag zu strukturieren und ruhig zu bleiben. Informationen hierzu bieten Fachärztinnen für Psychiatrie und Neurologie sowie Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für ADHS.

7. Akzeptanz und Selbstreflexion

Der Struggel mit den ADHS Symptomen und dem Gefühl von Scham und Unzulänglichkeit kann oft einsam machen. Deshalb ist es wichtig daran zu arbeiten mitfühlen und freundlich mit sich selbst umzugehen.
Eltern sollten lernen, sich selbst zu akzeptieren und ihre Stärken zu erkennen.
Eine positive Einstellung zu sich selbst und den eigenen Fähigkeiten kann das Familienleben deutlich verbessern.
Es ist wichtig, sich realistische Ziele zu setzen und sich selbst für Fortschritte zu loben, anstatt sich auf Misserfolge zu konzentrieren.
Selbstakzeptanz reduziert das Gefühl der Frustration und Selbstkritik, das bei ADHS häufig auftritt, und fördert ein positiveres Selbstbild.
Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und Psychotherapie bieten Raum für Austausch und Reflexion, wodurch Eltern Unterstützung und Bestärkung finden können.

Schlussgedanken

Eltern mit ADHS haben oft einzigartige Stärken wie Kreativität, Empathie und Enthusiasmus. Mit der richtigen Unterstützung und den passenden Strategien können sie diese Stärken nutzen, um eine liebevolle und stabile Umgebung für ihre Kinder zu schaffen. Es ist wichtig, die Herausforderungen anzunehmen und gleichzeitig die eigenen Grenzen zu respektieren, um eine positive Entwicklung für die gesamte Familie zu fördern.

Quellen und Hilfsmechanismen:

  • ADHS Deutschland e.V. (2023). "Struktur und Alltag mit ADHS".
  • LWL-Universitätsklinik Bochum: "Elterntraining für Mütter und Väter mit ADHS".
  • Familienratgeber: Lokale Unterstützungsangebote und Selbsthilfegruppen.
  • Caritas: Kommunikationsworkshops für Familien.
  • Volkshochschule: Achtsamkeits- und Meditationskurse.
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie: "ADHS-Elterntraining".
  • Deutsche Gesellschaft für ADHS: Informationen zu medikamentöser Therapie.